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GARTENARTEN
Brigitte Noti — Steinskulpturen
Regula Feller-Oester — Keramik
Rosmarie Clausen-Salzmann — Figuren und Bilder
Bernhard Nellen — Eisenplastiken
11. - 15. September 2007
Elvis 2007
Köder
Mittwoch 03.15
Der Ausstellungsort
Der Raum, in den ein Kunstwerk gestellt wird, bestimmt dessen Aussage wesentlich mit. Das wissen wir spätestens seit 1914, als Marcel Duchamp in einem Pariser Kaufhaus einen Flaschentrockner kaufte und diesen in einen Kunstraum stellte. Der klassische Raum zur Präsentation von Kunst ist das Kunstmuseum, die Galerie, die Form des white cube oder der black box. Dieser Einengung hat sich die Kunst des 20. Jahrhunderts immer wieder zu widersetzen versucht, am radikalsten vielleicht mit der LandArt, bei der die Landschaft nicht nur Hintergrund, sondern Bestandteil des Werkes ist. Und nun hier GartenArten. Das ist nicht nur ein Wortspiel, sondern ein genialer Einfall: ein Umfeld, das den Kunstwerken zusätzliche Bedeutungen verleiht. Dieser Garten, in den 60er Jahren von Vater Oester angelegt, ist ja schon für sich eine Kreation. Mit dieser Ausstellung wird er nun zum Kunstgarten, zur gestalteten Landschaft für einen Kunstspaziergang. Die Wahl des Ortes macht diese Ausstellung zum ganz besonderen Erlebnis.
Der Garten stellt also einen ersten Kontext dieser Ausstellung dar. Als zweiten Kontext würde ich die Art der Präsentation bezeichnen. Die Werke von vier Kunstschaffenden nebeneinander zu stellen, ergibt ja als Resultat weit mehr als die Summe von vier Werkgruppen. Denn die Werke treten nicht nur mit dem Garten und mit dem Landschaftshintergrund, mit dem sich ändernden Tages- und Abendlicht in eine Interaktion, sondern sie treten auch untereinander in spannungsvolle Dialoge.
Die Kunstschaffenden
Regula Feller-Oester absolvierte in Thun die Ausbildung zur Keramikmalerin. Das Töpferhandwerk erlernte sie in Interlaken und Saas Fee. Es folgten Weiterbildungen an der Kunstgewerbeschule in Bern, dann in Südostasien, Australien, Neuseeland. In der Folge spezialisierte sie sich in der Gestaltung von Porzellan, in Glasuren, Brennverfahren und Rakutechnik sowie im Design von verschiedensten Keramiken und Textilien. Seit 1985 führt Regula Feller-Oester die Töpferei Terra in Brig. Sie ist Mitglied von "Kunsthandwerk Oberwallis" und hat neben ihren Ausstellungen in ihrer eigenen "Wirkstatt Terra" bereits an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen. Regula Feller arbeitet mit unterschiedlichen Techniken und Materialien wie Raku, Töpferton, Steinzeug, Porzellan und neuerdings auch mit Bergkristall und Horn. Zudem bemalt sie ihre Keramiken. Ihre Werke nennt sie ganz einfach "Objekte" oder "Gebrauchskeramik". Den Begriff Kunst meidet sie. Doch gerade diese Gruppen-Ausstellung mit ihren unterschiedlichen Ansätzen, Materialien und Techniken illustriert aufs Schönste, wie undeutlich die Gattungsbegriffe im Kontext heutiger Kunstproduktion geworden sind. Auch das verleiht dieser Ausstellung einen zusätzlichen Reiz: dass sie die Bezüge zwischen Kunsthandwerk und Kunst auslotet.
Brigitte Noti (
www.stein-skulpturen.ch / brigitte.noti@stein-skulpturen.ch) macht Steinskulpturen. Als Material bevorzugt sie Speckstein, Alabaster, Tavertin, Kalkstein und Marmor. Erste Kontakte mit der Steinbildhauerei knüpfte Brigitte Noti in den frühen 90er Jahren. In der Folge bildete sie sich weiter, so an der Scuola di scultura di Peccia im Maggiatal. Seit 1996 führt sie Bern-Bümplitz eine eigene Werkstatt. Ihre Werke zeigt Brigitte Noti seit über zehn Jahren in Ausstellungen, und zwar mit Vorliebe in Gemeinschaftsausstellungen. Die Kunst von Brigitte Noti erschliesst sich nicht nur über das Sehen, sondern auch über den Tastsinn. Die Künstlerin fordert nämlich ihr Publikum auf, die Werke (mit der nötigen Vorsicht) mit den Händen zu fühlen und zu ertasten. Die Anregungen zu ihrem kreativen Schaffen holt sich Brigitte Noti in der Natur. Dabei geht es ihr nicht etwa darum, ein Abbild der Natur wieder zu geben. Vielmehr erweitert sie auf Wanderungen durch verschiedene Landschaften und durch das intensive Betrachten dieser Landschaften ihr Formenwissen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf geht sie dann mit Hammer und Meissel an den Stein heran und formt diesen zu Motiven, denen sie bewusst keinen Namen gibt. Und in der Tat meinen wir beim Betrachten ihrer Werke sofort irgendwelche Tiere oder Gewächse zu erkennen, um beim zweiten Blick (oder Abtasten) unsere Meinung gleich wieder zu ändern.
Rosmarie Clausen-Salzmann aus Naters kam nach einem Diplom als Primarlehrerin und als Lehrerin der musikalischen Früherziehung zur Kunst. Ihre künstlerische Ausbildung erfolgte in Form von Kursen und von Reisen. Inzwischen ist sie seit 20 Jahren künstlerisch tätig, hat zahlreiche Ausstellungen bestritten, Bücher illustriert, Plakate entworfen
Rosmarie Clausen arbeitet vor allem mit Aquarell-, Gouache- und Acrylfarben, daneben macht sie auch Radierungen, Monotypien und Collagen. Und in jüngster Zeit stellt sie auch Figuren in Ton her. "Beobachtungen in Form und Farbe umzusetzen ist es, was mich reizt," sagte Rosmarie Clausen einmal in einem Zeitungsinterview. Und weiter: "Es geht wohl darum, bei Betrachterinnen und Betrachtern etwas auszulösen. Zum Beispiel Gefühle. Oder Gedanken. Ich nehme mir die Freiheit beim Malen. Das Publikum soll sich diese beim Betrachten gewähren." Es ist wohl genau das, was Kunst ausmacht: Mit Farben, Formen und Materialien Denkprozesse in Gang setzen, die über das Kunstwerk an sich hinausweisen. Jedes Kunstwerk will ja über sich hinaus weisen. Ohne diese metaphorische Funktion wäre Kunst keine Kunst. Kunst bewegt sich immer auch in der Sphäre des Halb- und Unbewussten, des Anders-Denkens der Welt. Und wenn wir den Gedanken von Rosmarie Clausen aufnehmen, sind eben auch wir, die Betrachter ihrer Werke, eingeladen, die Welt anders zu denken. Gerade diese Ausstellung, mit ihren unendlichen Bezügen zwischen den einzelnen Werken, aber auch zwischen den Werken und der Landschaft, gibt uns als Publikum eine wunderbare Gelegenheit, das, was in diesen Kunstwerken drin steckt, weiterzudenken.
Bernhard Nellen, Glis. Bernhard Nellens Hauptwerke sind Metallplastiken, doch arbeitet er auch mit Video und Fotografie. Und im Gegensatz etwa zu Brigitte Noti sind bei Nellen die Werktitel sehr wichtig. Ja, diese Werknamen sind geradezu bezeichnend für das Schaffen von Bernhard Nellen, für seinen Drang, den Gedanken freien Lauf zu lassen, für seine Lust am Spiel mit "Wahrheit, Witz und Wahnsinn". Bernhard Nellen machte eine Ausbildung als Schlosser. Wohl nicht ganz zufällig wendet er sich der Kunst zu, nachdem er als Schlosser und Chauffeur beim Zirkus Knie gearbeitet hat. Aufmerksam geworden ist man auf ihn in den letzten Jahren vor allem durch die Projekte und Ausstellungen, die er mit der Künstlergruppe "Kunstkollegen" durchführte. Wie aktiv er in jüngster Zeit gewesen ist, belegt allein die Tatsache, dass seine Werke momentan gleich an vier Orten zu sehen sind: Neben "Gartenarten" an der Ausstellung "LandArt Twingi", beim "Skulpturenweg Belalp" und bei einer Ausstellung der "Kunstkollegen" in Leukerbad. Was bei Bernhard Nellen auffällt, ist seine verblüffende Art, sich die Alltagskultur künstlerisch anzueignen. Doch im Gegensatz zum Readymade von Marcel Duchamp durchlaufen die Dinge in den Händen von Bernhard Nellen einen Transformationsprozess, der ihnen neue Bedeutungen und Aussagen verleiht.
Ausstellen heisst immer auch: sich aussetzen (dem Publikum, der Kritik). Eine Ausstellung ist so gesehen immer auch ein Wagnis. In der Gruppenausstellung ist dieses Wagnis noch grösser, indem das eigene Werk neben das der Kollegin gestellt auch noch neben diesem bestehen muss. Anderseits verleiht das gemeinsame Ausstellen wohl auch ein Gefühl des Aufgehobenseins in der Gruppe. Dieser Ausstellung liegt kein Konzept zugrunde; die Gruppe hat sie vielmehr spontan und in gemeinsamer Diskussion aufgebaut. Und sie hat sich dabei nicht zuletzt von den Gegebenheiten des Ortes leiten lassen. Was uns nun hier in diesem Kunstgarten entgegen tritt, sind vier Werkgruppen von vier Künstlerpersönlichkeiten, von vier starken Charakteren, auf die wir uns nun einlassen wollen.
Laudatio von Thomas Antonietti